Mit dieser Frage setzten sich Mitglieder und Gäste beim Lauberger in Abensberg intensiv auseinander - bewusst ohne externen Referenten. Alle waren aufgerufen, ihre persönlichen Erfahrungen und Ansichten einzubringen.Zur Einführung wies die Kreisvorsitzende, die in der Arbeitsgruppe Inklusion des Landkreises mitwirkt, darauf hin, dass der Begriff Inklusion erst über die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskommission durch Deutschland 2009 Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat, allerdings nicht über die offizielle Übersetzung, wo für das englische "inclusion" Integration steht, sondern über die sogenannte Schattenübersetzung. Ihre Verfasser meinten, Integration, d.h. Eingliederung, treffe nicht die tatsächliche Bedeutung des englischen Originals, nämlich "volle Einbeziehung in die Gemeinschaft". Diese drücke "Inklusion" am besten aus.
Breiten Raum nahm die Diskussion über die Inklusion in der Schule ein - sie wird ja auch in der öffentlichen Wahrnehmung meist auf diesen Aspekt reduziert. Elfriede Meier, FU-Mitglied und Schulleiterin der Cabrinischule Offenstetten, gab einen Einblick in ihr berufliches Wirken. Drei Bedingungen für schulische Förderung müssten erfüllt werden: angenommen sein, etwas lernen dürfen, teilhaben können. Wo dies am besten gelinge, in der Förderschule oder mit den verschiedenen Formen der Inklusion in die Regelschule, das hinge sehr stark vom Kind ab. Sie äußerte sich sehr positiv über Kooperationen zwischen einzelnen Klassen ihrer Schule und der Grundschule Offenstetten unter der gemeinsamen Leitung der zwei Partnerlehrkräfte. Mit Skepsis betrachtete sie dagegen die Erfolgsaussichten der Einzelinklusion in die Regelschule. Sie bezweifelte, dass Grund- und Hauptschullehrkräfte mit einer sechsstündigen Fortbildung und die üblichen zwei Wochenstunden fachliche Unterstützung durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst immer ausreichten, um den individuellen Förderbedarf abzudecken. Eine Mutter sagte, sie habe die Inklusion ihres Sohnes erkämpft, meine aber jetzt, dass er in der Förderschule besser aufgehoben und der Umweg über die Regelschule ein Fehler gewesen sei. Fachlehrerin Ida Hirthammer äußerte sich dagegen positiv über eine Schülerin, die mit der Einzelinklusion erstaunlich gut zurechtkomme. Eine Teilnehmerin zeigte sich besorgt über die Zunahme schwer verhaltensgestörter Schüler, die Mitschüler und Lehrer immer mehr belasten. Mit ihnen sei Inklusion unmöglich. Wolfgang Brey, Rektor der Aventinus-Mittelschule Abensberg, zollte den Förderschulen großen Respekt und beklagte, dass sie wegen der hohen Kosten wahrscheinlich bald abgeschafft würden. Damit werde sehr viel Kompetenz verloren gehen.
Johanna Meierhofer aus Bad Abbach informierte aus ihrer Erfahrung als Referatsleiterin der Eingliederungshilfe von Behinderten des Bezirks Oberpfalz heraus über Inklusion im Bereich Wohnen. Sie betonte, dass es in der UN-Behindertenrechtskonvention um das selbstverständliche Miteinander unterschiedlicher Menschen nach dem Motto "Mittendrin statt mit dabei" gehe. Das bedeute einen Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe. Während früher ein behinderter Mensch generell in einem Heim untergebracht worden sei, gelte heute der Grundsatz "ambulant vor stationär". Heime werde es weiter geben müssen, aber in vielen Fällen könnten sich Behinderte etwa mit Unterstützung beim Einkaufen und Putzen, beim Umgang mit Geld und bei Behördengängen weitgehend selbständig in einer eigenen Wohnung oder einer Wohngemeinschaft versorgen. Dementsprechend wachse das Angebot verschiedener Varianten von betreutem Wohnen.
Bald kristallisierte sich ein klares Meinungsbild heraus: Dass behinderten Menschen gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglicht werden soll, wurde einhellig begrüßt. Erfreulich viel sei gerade auch in Abensberg für die Barrierefreiheit getan worden, sie bleibe aber eine Daueraufgabe. Dabei gehe es nicht nur um die Beseitigung von Schwellen und den Einbu von Aufzügen für Rollstuhlfahrer, sondern auch um die Verständlichkeit von Formularen, leichte Sprache im Umgang mit Behörden, Volkshochschulkurse in leichter Sprache etc., so die Vorsitzende. Oberste Richtschnur sollte das Wohl des behinderten Menschen sein. Förderschulen, Berufsbildungswerk, Werkstätten für behinderte Menschen dürften nicht abgeschafft werden. Sie seien nach wie vor für viele der Ort, wo sie sich am besten entfalten können und am wohlsten fühlen. Förderschulen und Berufsbildungswerk schaffen mit ihrer intensiven Förderung durch hochkompetente Fachkräfte oft die besten Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben und eine Vermittlungsmöglichkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ungeteilten Beifall fanden alle Beispiele von geistig behinderten Menschen, die in einem regulären Betrieb mit ihrer Tätigkeit anerkannt und geschätzt werden. Elfriede Meier lobte den Beitrag, den der Integrationsfachdienst hierzu leistet. Für diejenigen, die keine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden, gewährleisten aber die Werkstätten für behinderte Menschen das Recht auf Arbeit.
Großes Entwicklungspotential sahen die Gesprächsteilnehmer in dem Bereich, der am wenigsten beachtet wird, der Inklusion im Privatleben und in der Freizeit, sei es die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, Freizeitaktivitäten, die Mitgliedschaft in Sportvereinen oder der Zugang zu Sehenswürdigkeiten. Voll Anerkennung wurde der Prospekt "Natur und Kultur für Rollstuhlfahrer" betrachtet, ebenso wurde zur Kenntnis genommen, dass es schon einige vorbildliche Einrichtungen wie das Ministrantencafé oder das Projekt Mittendrin gibt, wo unter anderem behinderte und nicht behinderte Reporter zusammenarbeiten. Hier gäbe es aber noch ein breites Betätigungsfeld. "Die Cabrinischule hat so viele gute Sportler," meinte Elfriede Meier, "warum sollten sie nicht einem Sportverein beitreten? Es sollten sich Paten zur Verfügung stellen, die sie einfach mitnähmen, wurde angeregt. Im Privatleben, In der Freizeit können wir alle zur Inklusion beitragen, und dies meist ohne großen Aufwand. Diese Feststellung nahmen alle Anwesenden als Aufgabe mit auf den Weg.
V.li. Hannelore Langwieser, Johanna Meierhofer, Gudrun Weida, Elfriede Meier
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