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"Organe spenden, Organe transplantieren - und dann? Aussicht auf neue Therapien für Transplantationspatienten"

Gemeinsame Informationsveranstaltung von FU-Kreis- und Ortsverband Kelheim und Ärztlichem Kreisverband

 
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 Rund 60 Anwesende konnten Kreisvorsitzende Dr. Gudrun Weida, Ortsvorsitzende Gerda Hällmeyer und der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Dr. Karl Friedrich Seidl am 30. Januar 2014 im Aukoferbräu in Kelheim begrüßen, um sich mit dem komplexen und emotional aufgeheizten Thema Organtransplantation auseinanderzusetzen. Es war eine bunt gemischte Gruppe: Außer FU- und CSU-Mitgliedern aus Kelheim sowie dem nördlichen und mittleren Landkreis und Ärzten, die an diesem Abend Fortbildungspunkte bekamen, waren Krankenschwestern, einige Transplantierte, ein sogenannter Lebendspender, der Vorsitzende des Kneippvereins und eine ganze Reihe von allgemein Interessierten gekommen. Vor Beginn der Veranstaltung konnte man sich an einem Infostand mit dem Thema vertraut machen, der von Dr. Stefan Schöls, Nephrologe am Nierenzentrum in der Goldbergklinik, betreut wurde.

Dr. Seidl ging in seiner Einführung ausführlich auf die Entwicklung der Transplantationsgesetzgebung ein, die seiner Ansicht nach in der neuesten Fassung ausgewogen die Belange sowohl der Organspender bzw. der Angehörigen als auch der Transplantationspatienten berücksichtigt. Er erläuterte die Bedeutung des Begriffs Hirntod, der Grundvoraussetzung einer Transplantation, als irreversibler Ausfall von Basisfunktionen, die für ein Leben ohne Apparate unabdingbar sind, und den Ablauf einer Transplantation mit den drei daran beteiligten, von einander unabhängigen Organen DSO, Eurotransplant und den ca. 50 Transplantationszentren in Deutschland. Es war ihm ein großes Anliegen aufzuzeigen, dass ein größtmöglicher Schutz vor Irrtümern oder gar Missbrauch gewährleistet ist, weil die Zuständigkeit für die einzelnen Schritte, Erhebung und Koordination der relevanten Daten von Spenderorganen und potentiellen Transplantationspatienten,Vermittlung von Organen und Durchführung der Transplantation getrennt und unabhängig ist und in keinem Stadium nur bei einer einzelnen Person liegt.

Anschließend informierte unser neues Mitglied Dr.rer. nat. Elke Eggenhofer, Molekularbiologin, Leiterin einer Forschungsgruppe des Universitätsklinikums Regensburg, in einem bildgestützten Vortrag über ihr Forschungsgebiet. In einem kurzen Abriss der Geschichte der Transplantationsmedizin zeigte sie die beeindruckende Entwicklung von den ersten Anfängen bis heute auf, wobei sie die Leuchttürme hervorhob, besonders den Durchbruch durch den ersten Einsatz von Cyclosporin zur Verringerung von Abstoßungsreaktionen. Seitdem hat sich nicht nur die Zahl der Transplantationen stark erhöht, sondern auch immer mehr verschiedene Organe, Gewebe, ja ganze Gliedmaßen, z.B. Hände, und neue Patientengruppen sind dazugekommen. Besonders beeindruckt waren die Laien im Publikum davon, dass in Regensburg Lebertransplantationen bei Kleinkindern und Neugeborenen durchgeführt werden, davon 60% Lebendspenden.

Kaum Fortschritte seien allerdings seit 2002 bei der Abstoßungsrate von Transplantaten erzielt worden, meinte Dr. Eggenhofer. Die - abgesehen von der Kompatibilität von Spender und Empfänger je nach Organ unterschiedlich starken - Abstoßungsreaktionen könnten zwar durch den Einsatz von Immunsuppressiva unterdrückt werden, aber damit werde auch die Abwehr von Infektionen durch Bakterien, Pilze und Viren herabgesetzt oder unterdrückt und auch die Gefahr von Krebserkrankungen steige in Abhängigheit von Dosis und Dauer der Medikation. Das Problem sei bei Herzverpflanzungen am größten, z.B. bei Lebertranzplantationen relativ gering. Es gelte also, Wege zu finden, die Abstoßungsreaktionen und so die Gabe von Immunsuppressiva zu verringern. Ein weiteres Forschungsziel sei die Verbesserung der Qualität von Spenderorganen.

Am Uniklinikum Regensburg wird an mesenchymalen, aus Knochenmark entnommenen, adulten Stammzellen geforscht. Sie sind immunsuppressiv und man kann sie leicht aus Knochenmark isolieren, kultivieren und lagern. In Tierversuchen hat sich gezeigt, dass diese Stammzellen Abstoßungsreaktionen bei der Transplantation verhindern, indem sie die Aktivität von Immunzellen unterbinden. Dadurch, dass diese Wirkung so früh einsetzt, verringert sich die Notwendigkeit der Gabe von Immunsuppressiva und die Dauer der Medikation erheblich. Frau Eggenhofer berichtete, dass nach dem Erfolg der Tierversuche nun eine Phase I Studie an Menschen erfolgt. Sie äußerte sich zuversichtlich, dass die Behandlung mit mesenchymalen Stammzellen einen neuen Durchbruch in der Transplantationsmedizin bringen wird.

Des Weiteren ging sie in ihrem Vortrag auf die Notwendigkeit ein, die Organschäden zu minimieren, die bei Entnahme, Transport und Lagerung der Organe durch die zeitweilige Nicht-Versorgung mit Sauerstoff entstehen (man spricht hier vom sogenannten Ischämieschaden). Die Aufklärung der hier beteiligten Immunzellen und Signalwege ist aktuell Gegenstand ihrer Forschungsarbeit und bildet die Basis für eine zielgerichtete Therapie. Sie ist vor allem für "marginale" (d.h. durch Vorbelastungen wie Alter des Spenders, medikamentöse Behandlung etc. funktionell beeinträchtigte) Organe wichtig. In diesem Zusammenhang machte die Referentin noch einmal deutlich, dass Organe ein kostbares, nicht selbstverständliches und äußerst begrenztes Gut sind und es deshalb unbedingt notwendig ist, für den Patienten ein optimales Ergebnis zu erzielen. Für ihr anschauliches und faszinierendes Referat, dem auch Laien gut folgen konnten, erhielt sie starken Beifall.

In der anschließenden Diskussion stellte ein Teilnehmer die Frage, ob Stammzellentherapie möglicherweise auch erst nach der Transplantation, anstelle der Medikation mit Immunsuppressiva, noch wirksam sein könnte. Dr. Eggenhofer verneinte dies. Ansonsten drehte sich das Gespräch um andere Aspekte der Transplantationsmedizin. Hier wurde die Vielschichtigkeit der Thematik deutlich. Meinungen und Interessenlage unterschieden sich zum Teil stark, aber der Gedankenaustausch verlief stets sachorientiert, ernst und weitgehend ohne Polemik. Die Äußerungen mehrerer Transplantationspatienten und auch eines Lebendspenders einer Niere belebten und bereicherten die Diskussion. Ein jüngerer Vater mehrerer Kinder hatte vor einigen Jahren drei verschiedene Organe empfangen und zeigte sich dankbar und glücklich mit dem geschenkten neuen Leben. Zur Frage nach dem Höchstalter für Organspender und -Empfänger äußerte ein Teilnehmer, er habe im Alter von 72 Jahren ein Organ eines 81-Jährigen bekommen und lebe gut damit. Die Chance auf eine Organspende verbessere sich, wenn man ein älteres Organ akzeptiere.

Dr. Blumberg, Berater der UPD (Unabhängige Patientenberatung Deutschland), äußerte sich kritisch über die Art, wie für die Organspende geworben werde. Die Probleme würden verschwiegen: Hirntote seien eben noch nicht tot, sondern zeigten für Leben charakteristische Reflexe, ja sogar funktionierende Immunabwehr, und die Angehörigen könnten nicht adäquat Abschied nehmen, da das natürliche Sterben durch die Apparate verhindert würde. Beigepflichtet wurde ihm mit einem Beispiel von unwürdiger Behandlung, der von anderen als Einzelfall bezeichnet wurde, der durch alle Talkshows geistere. Vertreter der Freisinger Hilfsgemeinschaft der Dialysepatienten und Transplantierten betonten, dass im allgemeinen nach der Organentnahme ein würdevolles Sterben und Abschiednehmen ermöglicht würde. Oberarzt Dr. Kolbinger erhielt viel Beifall für seine Meinung, dass die Entscheidung für oder gegen eine Organspende eine ganz persönliche sei, die man nicht den Angehörigen aufbürden solle. Ob dafür oder dagegen, beide seien zu respektieren. Ebenfalls Zustimmung erhielt die Äußerung, für manche könne es tröstlich sein, durch eine Organspende ein Weiterleben eines Mitmenschen zu ermöglichen. Dass die Feststellung des Hirntodes nicht mit einem Koma verwechselt werden könnte, aus dem man wieder erwachen könne, darüber herrschte unter den anwesenden Ärzten Einigkeit.

Die Diskussion kreiste auch um die Frage, warum die Zahl der Transplantationen in letzter Zeit dramatisch gesunken ist, obwohl es laut Medien in Deutschland mehr Menschen mit Organspendeausweisen gibt als je zuvor. Die jüngsten Skandale spielen vielleicht insofern eine Rolle, so wurde vermutet, als die Vorschriften verschärft wurden und Krankenhäuser aus Vorsicht weniger bereit sind, mögliche Spender zu melden. Dr. Eggenhofer teilte auch mit, dass die Qualität der Spenderorgane tendenziell sinke, u. a. wegen der älter werdenden Gesellschaft. Andere meinten, die immer strengeren Vorschriften und die Angst vor Sanktionen bei Fehlern könnten die Zeitspanne vom Hirntod eines Spenders zur Transplantation verlängern. Ein Diskussionsteilnehmer fragte, warum die Typisierung zur Beschleunigung des Verfahrens bei einem als Spender in Frage kommenden Patienten denn nicht bereits vor der Feststellung des Hirntods vorgenommen werden könne. Insbesondere Dr. Schöls wies darauf hin, dass damit sofort der Verdacht aufkäme, die Ärzte arbeiteten bereits auf die Transplantation hin.

Auf die Frage nach Transplantationen in der Goldbergklinik sagte der ärztliche Direktor Dr. Obermeier, das Krankenhaus habe kaum geeignete Patienten: Jüngere Menschen mit qualitativ geeigneten Organen seien hier fast nie zu finden; für schwere Unfälle seien die Regensburger Krankenhäuser die Anlaufstellen. Auch Dr. Schöls sagte, er behandle im Nierenzentrum zwar Transplantierte, die Transplantationen fänden aber woanders statt.

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